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Genossenschaften
Mitglieder
zeıtung
die
Wir machen den Weg frei!
ckelten Friedrich Wilhelm Raiffeisen und
Hermann Schulze-Delitzsch eine neue Un-
ternehmensform: die Genossenschaft.
Die Industrialisierung veränderte damals
die Wirtschafts- und Gesellschaftsstruk-
turen radikal. Dem Mittelstand fehlte das
Kapital zur Modernisierung seiner Produk-
tionsmethoden. Private Geldverleiher und
Wucherer trieben ihn immer mehr in die
Schuldenfalle. Missernten und Hungersnöte
verschlechterten die Lage zusätzlich. Land-
arbeiter und Bauern flohen in die Städte,
um in den Fabriken zu arbeiten. Das Über-
angebot an Arbeitern drückte die Löhne.
Die Lebensbedingungen in Deutschland
waren katastrophal. Geringe Löhne, unzu-
reichende Absicherung bei Krankheit,
Unfall oder Tod, Wohnungselend, Hunger
und Arbeitslosigkeit.
Schulze-Delitzsch hat 1849 mit der Schuh-
machergenossenschaft die erste Genos-
senschaft als unternehmerische Rechts-
form gegründet, die auf den Prinzipien
der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und
Selbstverantwortung beruht. Später grün-
dete er mit den Vorschuss- und Kredit-
vereinen die Vorläufer der heutigen Volks-
banken. Ihre Ziele: Gewährleistung der
Lebensgrundlagen sowie die Beschaffung
von Geld für Investitionen.
Zu keinem Zeitpunkt seit der
Bankenkrise waren wir als
Genossenschaftsbank gezwungen,
unser Geschäftsmodell in Frage zu
stellen. Unser Tun auf der Grundlage
der genossenschaftlichen Werte
bildet unsere Sinnbasis. Und Sinn
überzeugt und schafft Vertrauen.
Vertrauen ist in dieser Zeit ein
Privileg von unschätzbarem Wert.
Wann, wenn nicht jetzt, zählen die
Werte: Vertrauen, Nähe, Solidarität,
Selbstverantwortung, Zuverlässigkeit.
Diese Werte sind auf der Werteskala
der Bevölkerung ganz nach oben
gesprungen.
Nach Maßgabe unserer Gründerväter sind
wir den sozialen Anliegen der Menschen
und der Region verpflichtet. Damit tragen
wir damals wie heute Verantwortung für
ein Stück mehr soziale Gerechtigkeit.
Nicht von ungefähr hat die Vollversamm-
lung der Vereinten Nationen 2012 zum
Internationalen Jahr der Genossenschaften
ausgerufen. Genossenschaften würden die
internationale Gemeinschaft daran erin-
nern, dass es möglich ist, sowohl unter-
nehmerisch zu handeln als auch soziale
Verantwortung zu tragen, so UN-General-
sekretär Ban Ki-moon. Weltweit schaffen
die Genossenschaften mehr als 100 Mil-
lionen Arbeitsplätze.
Entstanden ist die Genossenschaftsidee
bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Selbsthilfe durch freiwillige Kooperation
lautete das Rezept gegen die Existenzkrise
des Mittelstandes. Fast gleichzeitig, aber
noch unabhängig voneinander, entwi-
„Was dem Einzelnen nicht möglich ist,
das schaffen viele“
Raiffeisen setzte zunächst auf das karita-
tive Element. Er ließ für die Armen Brot
backen und Schulen bauen, Wälder wur-
den aufgeforstet und Straßen gebaut.
1848 gründete er in seiner Zeit als Bürger-
meister von Weyerbusch einen Brotverein.
Auf seine Initiative hin gründeten die
Bewohner von Dörfern die Darlehensge-
nossenschaften. Die so genannten „Dar-
lehenskassenvereine“ machten für die
Landbevölkerung Bankgeschäfte erst mög-
lich. Alle Mitglieder hafteten gemein-
schaftlich und unbeschränkt für alle Dar-
lehen, die an die Mitglieder vergeben
wurden. Dadurch gelang es der Landbe-
völkerung, durch gemeinsames Handeln
die wirtschaftliche Situation jedes Einzel-
nen nachhaltig zu verbessern.
Eine Idee geht um die Welt
In der ländlichen wie gewerblichen Wirt-
schaft entwickelten sich die Genossen-
schaften rasant.
Ein Gewinn für alle – die Genossenschaften
Hermann Schulze-Delitzsch
Friedrich Wilhelm Raiffeisen